Dr. Alessio Rovere und Doktorand Thomas Lorscheid vor dem Felsbrocken mit Namen „Bull“. | Foto: Elisa Casella, ZMT

19.10.17 | Auf den Bahamas wurden vor über 100.000 Jahren tonnenschwere Felsbrocken durch Sturmwellen auf die Klippe gespült. Ob die Felsen tatsächlich von vorzeitlichen „Superstürmen“ bewegt wurden, war lange Zeit umstritten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Alessio Rovere vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) haben nun herausgefunden, dass die Stärke heutiger Stürme verbunden mit einem wenige Meter höheren Meeresspiegel hierfür ausreichen würde. Die Ergebnisse hat die Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences am 30. Oktober 2017 veröffentlicht.

Weltweit sind Küstenregionen durch Klimawandel und Meeresspiegelanstieg gefährdet. Wärmere klimatische Bedingungen können Stürme verstärken und lassen Überflutungen häufiger auftreten – eine wachsende Bedrohung für die Bevölkerung, die Infrastruktur und Industrie in Küstennähe. Darum ist es wichtig, das Ausmaß besser abschätzen zu können, in dem extreme Stürme an Intensität und Häufigkeit zunehmen werden. Hierfür stützen sich Klimaforschende auf Wetterbeobachtungen und Modellrechnungen, schauen darüber hinaus aber auch in die Vergangenheit.  

Superstürme der Vergangenheit 

Für Vergleiche wird häufig die letzte Warmzeit, zwischen etwa 128.000 bis 116.000 Jahre vor heute, herangezogen. Dies war die Periode der Erdgeschichte, in der das Klima letztmals wärmer war als zur vorindustriellen Zeit. Der Meeresspiegel lag höher als heute. Es wird angenommen, dass in dieser Zeit der Nordatlantik von „Superstürmen“ geprägt war – stärker als jeder Sturm seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen. An den Ostküsten Bermudas und der Bahamas zeugen verschiedene Ablagerungen von den einstigen Sturmwellen, die das Land überspült haben, darunter auch riesige Felsbrocken. Diese haben Dr. Alessio Rovere, Leiter der Brückennachwuchsgruppe "Sea Level and Coastal Changes" am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), und seine Kolleginnen und Kollegen genauer untersucht. „Wir wollten wissen, wie viel Energie Sturmwellen brauchen, um solche massiven Felsen von der Klippenkante auf ihre heutige Position zu bewegen, und ob die Energie durch einen heutigen Sturm das auch schaffen könnte.“  

Sturmwellen transportieren Felsbrocken 

Auf einer etwa 15 Meter hohen Klippe auf der Bahamasinsel Eleuthera liegen sieben massive Felsbrocken, die laut einiger Studien von Superstürmen dorthin verfrachtet wurden. Sie sind so gigantisch, dass es unvorstellbar ist, dass diese Felsen von Wellen dort abgelegt worden sein könnten. Zwei der größeren Felsbrocken sind in der Region unter den Namen „Cow“ und „Bull“ bekannt. Rovere und sein Team haben diese beiden vermessen, ihr Volumen und ihre Dichte abgeschätzt, und kamen so auf ein Gewicht von 383 Tonnen für den kleineren Felsen und 925 Tonnen für den größeren. Die vor Ort gesammelten Daten speisten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihr Computermodell und passten den Meeresspiegel auf die damalige Zeit an, also bis zu 15 Meter über dem heutigen.

Mit ihrem Wellenmodell reproduzierten sie Wellen, wie sie in drei Stürmen entstanden, die Eleuthera besonders hart trafen: der „Perfekte Sturm“ im Jahr 1991, Hurrikan Andrew ein Jahr später und Hurrikan Sandy in 2012. Diese Sturmwellen ließ das Forscherteam im Modell gegen die Klippen Eleutheras anlaufen, um zu errechnen, ab welchen Wellenhöhen und -längen sowie Strömungsgeschwindigkeiten das Wasser die Felsen bewegen kann. 

Aus längst vergangenen Wellen für die Zukunft lernen

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass kein Supersturm nötig war, um die heutige Position der beiden Felsbrocken zu erklären“, sagt Rovere. „Selbst, wenn wir für den Meeresspiegel nur einen Wert von sechs Meter über heutigem Niveau annehmen, hätten Wellen, wie die von Hurrikan Sandy erzeugten, ausgereicht, um die Felsen „Cow“ und „Bull“ auf ihre heutigen Positionen zu transportieren.“ Für künftige Stürme lässt sich also schlussfolgern, dass – auch wenn die Stürme nicht stärker würden – allein der Meeresspiegelanstieg dafür sorgen würde, dass starke Wellen während eines Sturmes häufiger auftreten und auch die Strömungsgeschwindigkeiten, und damit die Energie der Wellen, zunehmen. 

Originalveröffentlichung:
Giant boulders and Last Interglacial storm intensity in the North Atlantic
Alessio Rovere, Elisa Casella, Daniel L. Harris, Thomas Lorscheid, Napayalage A. K. Nandasena, Blake Dyer, Michael R. Sandstrom, Paolo Stocchi, William J. D’Andrea, Maureen E. Raymo, DOI: 10.1073/pnas.1712433114

Beteiligte Institute:
Lamont-Doherty Earth Observatory, Columbia University, USA
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), Bremen
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
NIOZ Royal Netherlands Institute for Sea Research, Niederlande
University of Auckland, Neuseeland
University of Queensland, Australien

 

Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung von MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT).

© Jana Stone, MARUM