17.9.16 | Mit einem viertägigen Symposium auf Sansibar schließt in der nächsten Woche die derzeitige Förderphase der Graduiertenschule SUTAS* ab, die das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) mit finanzieller Unterstützung der Leibniz-Gemeinschaft seit dem Jahr 2013 koordinierte. Insgesamt sechs Doktorandinnen und Doktoranden des ZMT sowie des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) schlossen in dieser Zeit ihre Promotion ab oder befinden sich gerade in der Endphase ihrer Arbeiten. Im Interview berichtet SUTAS-Koordinator Prof. Dr. Matthias Wolff über die Anfänge der Graduiertenschule, die spannende Forschung und die Pläne für die Zukunft.

* Sustainable Use of Tropical Aquatic Systems / Nachhaltige Nutzung tropischer Gewässer

Was ist das Besondere an SUTAS?
Matthias Wolff: Die Grundidee von SUTAS war, Doktorandinnen und Doktoranden unterschiedlicher Forschungsdisziplinen an einem Standort in den Tropen zusammenzubringen, an dem das ZMT bereits forscht. Die Graduiertenschule wurde von Anfang an interdisziplinär aufgebaut, es arbeiten also Natur- und Sozialwissenschaftler gemeinsam an verschiedenen Forschungsschwerpunkten, wie etwa Fischerei, Korallenriffe, Seegräser oder Aquakultur. Als Ort wurde die Insel Sansibar in Tansania gewählt.

Warum gerade diese tropische Region?
Matthias Wolff: Wenn man Sansibar als großes sozioökologische System betrachtet, in dem es verschiedene Ressourcen- und Arten der Küstennutzung gibt, aber auch unterschiedlichste Probleme - von Umweltverschmutzung und Eutrophierung bis zur Korrallenbleiche als Folgen des Klimawandels - ist es für uns Forscher sehr spannend, sich dieses komplexe System von vielen ganz verschiedenen Seiten anzuschauen. Wir haben gemeinsam mit unseren lokalen Partnern – dem Institute of Marine Science (IMS) und der staatlichen Universität State University of Zanzibar (SUZA) – die Forschungsthemen vor Ort erarbeitet. Da SUZA auch im Bereich Gesundheit, Wasserqualität und Ernährung arbeitet, gab es hier wunderbare Anknüpfungspunkte zu einem unserer Bremer Partner, dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS). Neben Fragestellungen zum Zustand der Ökosystemen und ihrer Ressourcen beschäftigten sich die Forscher also auch mit den Themen Trinkwasserqualität, Ernährung und Gesundheit der lokalen Bevölkerung.

Wie wurde die Interdisziplinarität, ein starkes Charakteristikum des ZMT, noch in SUTAS verankert?
Matthias Wolff: In der Fischerei haben unsere Sozialökonomen beispielsweise untersucht, was die Fischer antreibt und ihr Verhalten steuert, also die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren unter die Lupe genommen. In meiner Arbeitsgruppe haben wir uns angeschaut, wie intensiv die Ressourcen derzeit genutzt werden und mit welchen Fangmethoden die Fischereigemeinschaften arbeiten. Wir wollten wissen, ob Ressourcen bereits überfischt sind, wo es eventuell Probleme für bestimmte Fischarten gibt und ob man ggf. Management-bzw. Schutzmaßnahmen vorschlagen sollte, um der Überfischung entgegenzuwirken. Gleichzeitig hat uns auch der umgekehrte Fall interessiert: Wo gibt es vielleicht noch Ressourcen, die sogar Potential für eine größere Nutzung haben. Des weiteren haben andere Kollegen im Bereich Aquakultur gearbeitet. So haben unsere Forscher beispielsweise versucht, Makroalgen mit Seegurken zu kultivieren und in diesem Bereich der multitrophen Aquakultur auch erste Erfolge erzielt.
Andere ZMT-Kolleginnen und Kollegen haben die Korallenriffe und Seegaswiesen an unterschiedlichen Standorten Sansibars erforscht. So gab es etwa mehrere Arbeiten zum Thema der Gemeinschaftsstruktur dieser Ökosysteme und der sie prägenden Faktoren. Dabei ging es um die Frage nach dem Gesundheitszustand und Artenzusammensetzung dieser Systeme. Aber auch die Frage nach möglichen invasiven Arten stand im Zentrum des Interesses.

Was gab es für erste Ergebnisse?
Matthias Wolff: Wir haben einige sehr interessante Dinge gefunden. In einigen Gebieten sind Schwämme und die sogenannten Corallimorpharia sehr dominant. Das sind korallenähnliche Organismen, die sich in einigen Riffen sehr breit gemacht haben. Jetzt stellt sich uns die äußerst spannende Frage, ob dieses Ökosystem gerade umkippt und dann kein richtiges Korallenriff mehr ist, also wir bereits Zeugen eines „Phase-Shifts“ sind. In diese Richtung soll unsere Forschung auch zukünftig gehen.
Im Bereich Fischerei ist das Bild uneinheitlich. Es gibt sehr stark befischte Bestände, aber auch andere, die als durchaus gesund zu bezeichnen sind. Unter den Fangmethoden gibt es solche, die den Meeresgrund und seine Artengemeinschaften stark schädigen und es sollte überlegt werden, wie Fischer dazu gebracht werden können, auf andere Fangmethoden umzustellen.

Stichwort Zukunft: Was passiert mit SUTAS jetzt?
Matthias Wolff: Die Idee ist, dass wir SUTAS in ähnlicher Weise fortführen. SUTAS- Sommerschulen soll es im Rahmen des Doktorandenprogramms auch weiter hin geben. SUTAS als Dach und die Grundidee, eine interdisziplinär arbeitende Schar von Doktorandinen und Doktoranden an einem Ort zu konzentrieren, soll bestehen bleiben. In unserer Forschung haben wir momentan sehr verschiedene Schwerpunktregionen. Neben Sansibar sind das beispielsweise der Senegal, Mauretanien, Brasilen, Peru, Ecuador, Kolumbien und natürlich Indonesien, um nur einige zu nennen. In diesen Regionen möchten wir SUTAS-ähnliche Projekte aufbauen.

Jetzt steht das Abschlusssymposium an. Was sind die Ziele?
Matthias Wolff: Wir wollen allen, die an SUTAS beteiligt waren, ein Forum bieten, in dem wir die Ergebnisse, die wir in den Projekten erzielt haben, der Öffentlichkeit und den Partnern vor Ort vorstellen, und diskutieren. Wir rechnen mit insgesamt etwa 50 Teilnehmern. Es wird wissenschaftliche Kurzvorträge geben zu den Schwerpunktthemen wie Fischerei, Aquakultur, Korallenriffe, Seegraswiesen, Ernährung, Gesundheit. Des weiteren wollen wir basierend auf den Ergebnissen und den Fragen, die sich aus ihnen ergeben, die nächsten Forschungsthemen für eine mögliche Fortsetzung der Forschung in der Region eruieren. Am letzten Tag des Symposiums werden wir die Ergebnisse der Kooperation mit dem IMS den lokalen Stakeholdern präsentieren, also Politikern, Behörden und Repräsentanten von GIZ, DAAD, WIOMSA oder WWF. Auch da wollen wir gemeinsam erörtern, wie es in der Region mit der Forschung weiter gehen und wie man die Stakeholder involvieren kann. Natürlich werden wir von allen Vorträgen des Symposiums auch Poster zeigen, so dass insbesondre die Stakeholder den Dialog mit uns und unseren Partnern noch vertiefen können

Ein kurzes Resümee zu den fast vier Jahren SUTAS?
Matthias Wolff: Wir haben sehr erfolgreiche Feldarbeit auf Sansibar gemacht, vor allem auch durch die Unterstützung von lokalen Partnern. Gleichzeitig haben wir auch im Bereich der Ausbildung viel erreicht, da nicht nur Doktoranden, sondern auch Masterstudenten unseres ISATEC-und anderer Masterprogramme der Universität Bremen und der tansanischen Partner in Sansibar forschen konnten. Die Kooperation mit den wissenschaftlichen Partnern aus der Bremer Region – also den Universitäten Bremen und Oldenburg (ICBM), der Jacobs University, dem BIPS und dem Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg (SaM), Wilhelmshaven – garantierte die Qualität und Diversität der Forschung.

Infos zu SUTAS

Hier geht's zu unserem SUTAS-Blog ( alte website)

Programm des SUTAS Abschlusssymposiums: SUTAS_Final_Symposium_Agenda.pdf