Schutzwall vor steigendem meersspiegel in Manila | Foto: Rapti Siriwardane-de Zoysa

12.10.18 | Drei Megacities am Meer: Singapur, Jakarta, Manila. Was geschieht hier mit insgesamt rund 40 Millionen Menschen, wenn der Meeresspiegel in Zukunft steigt? „Singapur bereitet sich seit Jahren mit standardisierten Infrastrukturmaßnahmen auf das drohende Szenario vor“, sagt Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, die am ZMT die Abteilung Sozialwissenschaften leitet. Der Stadtstaat befestigt die Küste, schüttet massiv Land auf oder hat die Start- und Landebahn des Flughafens angehoben und orientiert sich dabei exakt an den Empfehlungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Technokratisch und effizient agiert Singapur, so Hornidge, denn hier werden viele international vernetzte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Bürokraten und Entscheidungsträger ausgebildet. Dabei ist vom bedrohlichen Anstieg des Wassers in Singapur noch nicht so viel spürbar – anders als in Jakarta und Manila, erklärt die Sozialwissenschaftlerin. „Diese Städte sinken bereits ins Wasser – aber nicht, weil der Meeresspiegel ansteigt, sondern weil beispielsweise Jakarta zu schwer, zu hoch und zu nah an der Küste auf Sumpf gebaut hat, dem noch dazu zu viel Wasser, durch alltägliche Trinkwasserentnahmen, entzogen wird.“

Jakarta verfolgt einen gigantischen Masterplan, um seine 30 Millionen Einwohner vor dem Ertrinken zu retten: den Bau des Great Garuda - ein bewohnbarer Schutzwall in Gestalt des indonesischen Wappentiers mitten in Jakarta Bay, von den dort lebenden Chinesen auch das „Maul des Drachens“ genannt. „Der diskursive Umgang mit den Bedrohungen und die Implementierung von Schutzmaßnahmen sind mythologisch einbettet und politisch aufgeladen“, erklärt Hornidge. „Letztlich geht es darum, zu verstehen, wie unterschiedlich die Anpassungsstrategien, Praktiken, Handlungslogiken und gesellschaftlichen Lernprozesse sind.“

Ein lebendiges Labor

Weil man in allen drei urbanen Kontexten die Voraussagen über den Anstieg des Wasserspiegels bereits ernst nimmt, obwohl die erhobenen Pendeldaten der naturwissenschaftlichen Partner dies kaum stützen, eignen sich diese Megacities als lebendige Labore. „Wasser im Wohnzimmer, aufgrund von Bodenabsenkung oder Extremwetterereignissen ist bereits Realität und die experimentierende Suche nach gesellschaftlich angepassten Maßnahmen zum Umgang mit diesen Herausforderung ist in vollem Gange“, erklärt Anna Katharina Hornidge. „Gesellschaftliche Lernprozesse sind die Folge“. Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom ZMT und dem Sustainability Research Center (artec) an der Universität Bremen untersucht sie derzeit, wie das nötige Wissen „auf Reisen geht“ und von unterschiedlichen Akteuren interpretiert und lokal wie kulturell kontext-spezifisch übersetzt wird - Grundlagenforschung zu einem zentralen Lernprozess aller Küstenstädte, für politische Beratung und gesellschaftliche Überzeugungsarbeit für eine Zukunft, in der das Meer anschwillt.