Einsatz des HyperDivers | Foto: Stefanie Bröhl

16.01.2023 | Eine neue Studie von Doktorand Daniel Schürholz und Dr. Arjun Chennu, Wissenschaftler am MPI für Marine Mikrobiologie und dem ZMT, lotet die Möglichkeiten einer neuen Methode zur detaillierten Beschreibung komplexer Lebensräume wie den Korallenriffen aus. Das PhD-Projekt von Daniel Schürholz wird durch ein EU Marie-Curie Stipendium gefördert. Hier ein Interview mit ihm.

Was war die Ausgangsfrage der Studie?

Daniel Schürholz: Das korrekte Kartieren und Beschreiben des Meeresbodens in Korallenriffen ist eine große Herausforderung, da diese Lebensräume taxonomisch und räumlich sehr vielschichtig sind. Wir fragten uns deshalb: Wie kann die Komplexität von benthischen Lebensräumen in Korallenriffen effektiv kartiert und beschrieben werden?

Wie war das Vorgehen bei der Studie?

Daniel Schürholz: Die existierenden Methoden haben bisher nur eingeschränkte oder partielle Ergebnisse bei den Beschreibungen von Korallenriff-Ökosystemen ergeben. In einer früheren Studie (Chennu et al, 2017) haben wir bereits gezeigt, dass eine neue, von uns entwickelte Methode, die einen HyperDiver einsetzt, für eine bessere Beschreibung solcher Lebensträume geeignet sein könnte. Der HyperDiver ist ein Unterwassermessgerät, das von der Elektronik- und Mechanikwerkstatt des MPI entwickelt wurde.

Bei unserer Methode werden unter Wasser Hyperspektralbilder erstellt, die eine größere Bandbreite an spektralen Daten in einer räumlichen Struktur anbieten. Ein Vorteil ist unter anderem, dass unsere hyperspektrale Kamera im HyperDiver-Gerät über 400 Spektralbänder anbietet, während normale Farbkameras nur drei Bänder haben. Unsere Idee war es, dass die Informationen aus den detaillierten Hyperspektralbildern von Algorithmen für maschinelles Lernen (ML) verarbeitet werden könnten, um Lebewesen und Substrate des Korallenriffbodens automatisch zu klassifizieren.

Um diese Idee zu testen, entwickelten wir einen Software-Workflow, der größere Datenmengen verarbeiten, verschiedene benthische Gemeinschaften beschreiben, verschiedene ML-Algorithmen benutzen und daraus klassifizierte Lebensraumkarten bewerten kann. Dieser Workflow kann von hyperspektralen Bildern detaillierte Lebensraumkarten erstellen und sogar die kreierten Karten im Verhältnis zu der echten Gemeinschaft von Organismen, die auf dem Meeresboden leben, analysieren.

Was sind die neuen Erkenntnisse?

Daniel Schürholz: Durch unsere Forschung konnten wir bestätigen, dass das genaue Kartieren von Gemeinschaften auf dem Meeresboden in Korallenriffen möglich ist. Dafür benötigt werden detaillierte Daten aus unseren hyperspektralen Bildern, moderne ML-Algorithmen und genaue Bewertungen der Ergebnisse im korrekten Anwendungskontext. Unser Workflow ermöglicht mit geringem manuellen Aufwand und ohne externe Daten das Kartieren von Korallenriff-Transekten mit einer Genauigkeit von 87 %. Die Karten weisen feine thematische Details und eine räumliche Auflösung von 2,5 cm/Pixel auf. Unsere Bewertung der Zusammensetzung der benthischen Gemeinschaften auf einer Fläche von 1150 qm in Korallenriffen vor Curaçao zeigte eine hohe Übereinstimmung.

Was kann man mit dieser neuen Methode erreichen?

Daniel Schürholz: Der von uns entwickelte Workflow zeigt eine Möglichkeit, detailreiche Lebensraumkarten von Korallenriffen zu erstellen. Wir möchten dazu beitragen, die Perspektiven von Ökologen, Umweltmanagern, Fernerkundungs- und ML-Experten, die an der Erforschung von Korallenriffen beteiligt sind, zu vereinen.

Die thematischen und räumlichen Details in unseren Lebensraumkarten ermöglichen es Ökologen, feinere Analysen von Funktionen und Dynamiken, Mustern und Größenordnungen im Korallenriff vorzunehmen. Eine konstante und langfristige Überwachung wird unser Verständnis des komplexen Netzwerkes innerhalb des einzigartigen Ökosystems Korallenriff erweitern. Unser Workflow kann dadurch effektiv als Vermessungs- und Überwachungsmethode benutzt werden, um neue Lösungsansätze und bessere Schutzmaßnahmen für die Erhaltung gefährdeter Ökosysteme auszuarbeiten.

Wir hoffen, dass es möglich sein wird, unsere neue Methode als Standard bei der in-situ Korallenriffüberwachung einzusetzen, sobald einige technologische und wissenschaftliche Einschränkungen überwunden sind sowie Kosten und Leistung der Unterwasser-Spektralvermessungstechnologie verbessert wurden.

Warum sind die Ergebnisse gesellschaftsrelevant?

Daniel Schürholz: Die konstante weltweite Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Korallenriffen gefährdet die Ökosystemleistungen, die Riffe für Küstenpopulationen und andere Ökosysteme erbringen. Ein kontinuierliches Monitoring zum Schutz von Korallenriffen ist eine essentielle Aufgabe, zu der wir am ZMT und in unserer Data Science & Technology Forschungsgruppe im Sinne der Ziele der UN-Dekade der Ozeanwissenschaften beitragen können.

Was sind die nächsten Pläne in Bezug auf die Ergebnisse?

Daniel Schürholz: Im nächsten Schritt dieses Projektes werden wir alle anderen hyperspektralen Bilder aus Curaçao mit unserem Workflow kartieren und eine integrale ökologische Beschreibung von den dortigen Korallenriffen erzeugen. Wir werden die Daten der Analyse dann mit vorherigen Studien in der Region vergleichen und versuchen, verschiedene Tendenzen und Muster zu erkennen.

Außerdem haben wir unserer Unterwassergerät, den HyperDiver, mit einer multispektralen Kamera (9 Spektralbänder) und zwei Farbkameras erweitert, um die Spektralvermessungstechnologien unter Wasser zu verbessern. Unser Ziel ist es, größere zusammenhängende Bereiche von Korallenriffen zu beschreiben. Wir haben diese Erweiterungen schon in einer Studie in Indonesien eingesetzt und gute erste Ergebnisse erzielt. Weitere Informationen folgen hoffentlich bald.

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Daniel Schürholz: Diese Abbildung zeigt Beispiel-Ausschnitte aus unseren Lebensraumkarten, die die reichhaltige Struktur einer digitalisierten Riffgemeinschaft darstellen. Die Karten wurden mit unseren beiden Methoden des maschinellen Lernens erstellt, wobei die Farben den Klassen entsprechen, die in der Beschriftungslegende (auf der rechten Seite der Abbildung) angegeben sind. Die Reihen 1 und 4 zeigen die natürliche Ansicht, wie sie ein menschlicher Beobachter sehen würde. Die Zeilen 2 und 5 zeigen die Abschnitte in unserem "detaillierten" Labelset (mit Korallen und Schwämmen, die z. B. auf Artniveau beschrieben werden) und die Zeilen 3 und 6 im "Riffgruppen"-Labelset (wo die Labels größere, übergreifende Gruppen wie "Koralle" oder "Schwamm" darstellen).

Publikation

Daniel Schürholz & Arjun Chennu, Digitizing the coral reef: machine learning of underwater spectral images enables dense taxonomic mapping of benthic habitats, Methods in Ecology and Evolution, 2041-210X, doi:10.1111/2041-210X.14029.