Invasive Meerestiere wie der Feuerfisch sind weltweit ein großes Problem und eine der Hauptursachen für das Aussterben von Arten. Eine Invasion der Art kann vielfältige sozioökonomische und ökologische Auswirkungen haben | Foto: Marcelo Soares, ZMT

22.08.2022 | Professor Marcelo Soares von der Universidade Federal do Ceará in Brasilien forscht derzeit als Alexander von Humboldt-Stipendiat in der Arbeitsgruppe Riffsysteme am ZMT. Für seine Publikation über die Invasion von Feuerfischen (Pterois spp.) im Südatlantik arbeitete er mit 21 Wissenschaftler:innen von 14 Institutionen aus Deutschland, Brasilien und den USA zusammen. Für die Datensammlung unternahm das Team Feldstudien und Tauchgänge, befragte Fischer:innen und Sporttaucher:innen vor Ort und nutze soziale Medien, was es ermöglichte, auch Feuerfische an abgelegenen und schwer zugänglichen Orten zu entdecken. Im Zuge der Studie entwickelten die Forschenden ein Citizen-Science-Projekt und brachten in Brasilien eine Handy-App heraus, mit der Entdeckungen von Feuerfischen an Soares und sein Team gemeldet werden können.

Was hat Euch zu der Studie veranlasst?
Invasive marine Arten stellen weltweit ein großes Problem dar und sind eine der Hauptursachen für das weltweite Artensterben. Sie können vielfältige sozioökonomische und ökologische Auswirkungen haben. Die Invasion des Feuerfisches (Pterois spp.) ist potenziell schädlich und könnte die bisher problematischste Invasion von Meeresfischen weltweit werden. In der Karibik und in jüngster Zeit auch im Mittelmeer hat die zunehmende Verbreitung der Art wegen ihrer negativen Folgen für die biologische Vielfalt der Meere und für Wirtschaftssektoren wie die Fischerei große Besorgnis ausgelöst. Jetzt haben wir es mit einer neuen und riesigen Region zu tun, die einen solchen Invasionsprozess durchläuft: Der Südatlantik.

Was macht den Feuerfisch so problematisch?
Der Feuerfisch ist ein gefräßiger Räuber, der sich von den einheimischen Fischen ernährt. Die Art vermehrt sich stark und wächst schnell. Ohne natürliche Fressfeinde in ihrem neu besiedelten Lebensraum und in Verbindung mit der geringen Parasitenbelastung der Art, ihren giftigen Abwehrstacheln und ihrer hohen Konkurrenzfähigkeit können invasive Feuerfische schwerwiegende Auswirkungen auf einheimische Arten haben und das Habitat verändern.

Wie sah die Situation im Südatlantik vor eurer Studie aus?
Im Südatlantik wurden zuvor nur zwei Feuerfische an der Küste von Rio de Janeiro nachgewiesen – einer im Jahr 2014 und ein weiterer im Jahr 2016. Seither wurden keine weiteren Exemplare in der Region dokumentiert. Die Art hatte in dem Gebiet keine etablierte Population gebildet. Da diese Individuen weit entfernt – ca. 5.500 Kilometer – von der Karibik entdeckt wurden und es sich um ein isoliertes Ereignis handelte, verbreiteten sich diese Tier höchstwahrscheinlich nicht von dort aus, sondern wurden vermutlich aus einem Aquarium in Brasilien ausgesetzt. Im Jahr 2020 wurden dann drei neue Feuerfische in tropischen Riffen in einer Tiefe von 30 bis 100 Metern entdeckt, und zwar an der Küste des Amazonas und im Fernando-de-Noronha-Archipel – 370 Kilometer von der brasilianischen Küste entfernt. Unsere Publikation zeigt also ein neues Phänomen auf, denn bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine wiederholten Nachweise von Feuerfischen in flachen Gewässern des tropischen Südatlantiks.

Was sind die neuen Erkenntnisse?
Als wir zwischen März und Mai 2022 die brasilianische semiaride Küste untersuchten, entdeckten wir 72 Feuerfische. Das mag zunächst nicht nach viel klingen, aber es waren die ersten Mehrfachnachweise von Pterois spp. vor der brasilianischen Küste, die in Flachwasser-Ästuaren, Seegraswiesen sowie künstlichen und natürlichen Riffen gefunden wurden. Es handelt sich um den ersten Fund der Art in diesen Lebensräumen sowie um den größten gleichzeitigen Nachweis von Feuerfischen in diesen tropischen Flachwasserhabitaten. Unter den Tieren befanden sich auch geschlechtsreife Männchen, und einige der Weibchen hatten einen Eisprung, was auf eine bereits etablierte Population im Südatlantik schließen lässt.

Was zeigen die Daten noch?
Wir halten diesen Fund für einen wichtigen Hinweis auf eine Invasion des Feuerfisches in den Südatlantik. Zum ersten Mal fanden wir die Fische auch in Wellenbrechern, Fischereiwehren und den so genannten Marambaias, künstlichen Riffen, die an der brasilianischen Küste als Fischgründe genutzt werden. Solche von Menschen geschaffenen Strukturen sind geeignete Lebensräume und Eintrittsbiotope für den Feuerfisch. Dass mehr als die Hälfte der 72 Feuerfische in künstlichen Riffen und Fischreusen entdeckt wurden, gibt Anlass zur Sorge und wirft die Frage auf, welche Auswirkungen die Tiere auf die Fischerei haben werden - insbesondere in einer Region mit großer sozialer Ungleichheit und Risiken für die Ernährungssicherheit. Wir haben unsere Studie bereits im Frühjahr erstellt, seither hat die Zahl der Tiere weiter zugenommen. Inzwischen sind mehr als 200 Tiere gefunden worden. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine wachsende Bedrohung, die noch unterschätzt wird.

Welche Schlussfolgerungen zieht Ihr aus Euren Ergebnissen?
Die zahlreichen Nachweise der Art in Flussmündungen, Seegraswiesen, natürlichen Riffen und künstlichen Lebensräumen zeugen von einer schnellen Invasion und die allgegenwärtige Präsenz des Feuerfischs in flachen Gewässern im Südatlantik, was darauf schließen lässt, dass die Invasion rascher voranschreitet als erwartet. Die Auswirkungen dieses Prozesses auf die biologische Vielfalt der Küstengebiete, die Sicherheit der Menschen und die Klein-Fischerei müssen jedoch noch weiter untersucht werden. Wir konnten auch Feuerfische in Riffen und Flussmündungen nachweisen, die durch mäßig trübes Wasser und hohe Sedimentationsraten gekennzeichnet waren. Diese besonderen Funde unterstreichen nicht nur die Anpassungsfähigkeit dieser invasiven Art, sondern bedeuten auch, dass es in den von uns untersuchten Regionen sehr viel schwieriger sein wird, den Feuerfisch mit Hilfe von Speerpistolen aufzuspüren und zu bekämpfen, wie es beispielsweise im klaren Wasser der Korallenriffen in der Karibik geschieht.

Wie genau kamen die Feuerfische in den tropischen Südatlantik?
Während die Funde vereinzelter Feuerfische vor acht Jahren an der Küste von Rio de Janeiro wohl noch auf illegales Aussetzen zurückzuführen waren, glauben wir, dass sich der Feuerfisch jetzt von der Karibik aus verbreitet hat. Nachdem die Art im Jahr 2010 Venezuela erreicht hatte, dauerte es zehn Jahre, bis sie von dort über Französisch-Guayana nach Brasilien gelangte. Der Grund dafür ist der Amazonas: Der Fisch musste die Amazonas-Orinoco-Barriere zwischen der Großen Karibik und der brasilianischen Provinz überwinden. Die Barriere besteht aus einem enormen Süßwasser- und Sedimentabfluss und beeinflusst ein Gebiet von 2.300 km entlang des nördlichen Schelfgebiets von Südamerika. Den erwachsenen Feuerfischen gelang es gegen die Strömung des Nordbrasilienstroms zu schwimmen, der in Richtung Karibik fließt. Die Strömung verlangsamte die Invasion und verhinderte den Zustrom von Larven und Eiern, aber die erwachsenen Tiere konnten trotzdem erfolgreich in einen neuen Lebensraum ohne Fressfeinde und mit viel Nahrung eindringen.

Welche Auswirkungen kann eine Invasion des Feuerfisches haben?
Jetzt, da die Art in flachen Gewässern an der Küste angekommen ist und es keine natürlichen Hindernisse mehr gibt, die sie zurückhalten könnte, werden die Strömungen den Fischen helfen, weiter nach Süden vorzudringen. In den fünf Monaten seit März hat der Feuerfisch bereits eine Strecke von 700 Kilometer zurückgelegt. Wir erwarten, dass die Art in den kommenden Monaten sehr schnell die restlichen 6.000 Kilometer der Küste entlang des Südatlantiks erobern wird. Es muss also etwas unternommen werden, denn bei Untätigkeit würden sich die Kosten schnell vervielfachen, nicht nur für die brasilianischen Küstengemeinden, sondern auch für das Leben im Meer in einem der weltweiten Hotspots für biologische Vielfalt. Die Klein-Fischerei könnte stark beeinträchtigt  und die Sicherheit der Menschen durch Körperkontakt mit diesen giftigen Fischen in Fischwehren und künstlichen Riffen gefährdet werden. Der Stachel eines Feuerfisches verursacht unerträgliche Schmerzen und starke Entzündungen mit lokalen Rötungen und Ödemen.

Was sind die Folgen für die Fischerei und die Ernährungssicherheit?
In der Küstenregion im Nordosten Brasiliens gibt es viel Klein-Fischerei, die für die Ernährungssicherheit in einem Gebiet mit großer sozialer Ungleichheit von entscheidender Bedeutung ist. Modelle deuten darauf hin, dass Feuerfische mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Auswirkungen auf einheimische Rifffische haben werden, darunter auch einige sozioökonomisch wichtige Arten wie Schnapper und Zackenbarsche. Ein Rückgang der Fischerei oder der Aquakultur kann zu Arbeitsplatzverlusten führen und auch Auswirkungen auf den internationalen Handel oder Zölle haben. Neueste Studien beziffern die Verluste, die durch die Ausbreitung des Feuerfisches  in nicht einheimische Ökosysteme entstehen, auf 24 Millionen US-Dollar pro Jahr. Eine langsame Reaktion auf eine invasive Art kann siebenmal höhere Kosten verursachen als die rasche Umsetzung von Präventivmaßnahmen. Daher muss dringend etwas getan werden gegen die Feuerfisch-Invasion und ihre Folgen für die biologische Vielfalt der Meere, die öffentliche Gesundheit und die Fischerei.

Was  kann gegen die Ausbreitung des Feuerfischs unternommen werden?
Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, die wir aus wissenschaftlicher Sicht vorschlagen würden. Wir brauchen weitere lösungsorientierte ökologische Forschung, Online-Bestandsaufnahmen in Echtzeit und eine Aktualisierung der Umwelt- und Fischereigesetze. Wir schlagen auch eine partizipative Überwachung durch Citizen Science vor, mit der wir bereits begonnen haben. Aber wir brauchen auch einen nationalen und einheitlichen Plan, die Invasion der Feuerfische durch Fang zu bekämpfen. Es ist wichtig, dass die Populationen von Tauchern und Fischern frühzeitig erkannt und kontrolliert werden. In der Karibik und in Florida gibt es professionelle Wettkämpfe, bei denen Feuerfische eingesammelt und gefangen werden. Gleichzeitig dienen solche Veranstaltungen dazu, die Öffentlichkeit zu informieren und aufzuklären über die Probleme, die diese invasive Art verursacht. In einigen Teilen der Karibik ist es gelungen, die Populationen auf niedrigem Niveau zu halten, in anderen wiederum nicht. Feuerfische zu 100 Prozent zu kontrollieren ist unmöglich, aber man kann die Populationen klein halten und so die Auswirkungen auf die Umwelt verringern.

 

Publikation:

Soares M.O., Feitosa C.V., Garcia T.M., Cottens K.F., Vinicius B., Paiva S.V., Duarte O.d.S., Gurjão L.M., Silva G.D.V., Maia R.C., Previatto D.M., Carneiro P.B.M, Cunha E., Amâncio AC, Sampaio CLS, Ferreira CEL, Pereira PHC, Rocha LA, Tavares TCL and Giarrizzo T. (2022) Lionfish on the loose: Pterois invade shallow habitats in the tropical southwestern Atlantic. Frontiers in Marine Science, 9:956848. DOI: 10.3389/fmars.2022.956848

Link: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmars.2022.956848/full