Foto: Lucia Herbeck

12.11.2021 | Durch den Klimawandel verursachte extreme Temperaturereignisse werden immer intensiver und häufiger. Für Fische ist die Temperatur der wichtigste abiotische Faktor, der ihre Entwicklung und Physiologie in allen Phasen der Aquakultur kontrolliert und begrenzt. Eine neue Studie mit Beteiligung der AG Experimentelle Aquakultur fasst die Auswirkungen von extremen Temperaturen auf verschiedene physiologische Reaktionen von Aquakulturfischen zusammen und erörtert die Konsequenzen für das Wachstum und die Fortpflanzung von Fischen.

Was war die Ausgangsfrage der Studie?

Andreas Kunzmann: Der Klimawandel ist auch in Europa schon deutlich zu spüren, vor allem im südlichen Europa. Wir wollten wissen, wie Fische in Aquakultur, die ja nicht wie ihre wilden Verwandten einfach weiter nach Norden wandern können, auf die höheren Temperaturen reagieren. Auch ob sich deren Reaktionen ggf. finanziell für den Unternehmer bemerkbar machen.

Was wurde genau untersucht?

Andreas Kunzmann: Der Wolfsbarsch (sea bass) ist ein typischer Aquakulturfisch im Mittelmeer. Wir haben ihn in vielen aufeinanderfolgenden Experimenten im Labor ganz unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt (langsamer vs. schneller Temperaturanstieg, auch niedrigeren Temperaturen) und das in Kombination mit unterschiedlichen Salzgehalten. Dann haben wir Wachstum, Gesundheit und eine ganze Reihe physiologischer Parameter (Blutbestandteile, Enzyme, Genexpression) bestimmt und mit Kontrolltieren verglichen.

Was sind die neuen Erkenntnisse?

Andreas Kunzmann: Der Wolfsbarsch ist recht anpassungsfähig. Während sich auf Organismenniveau (Wachstum, Gesundheit) noch wenige unmittelbare Reaktionen zeigen, lassen sich die Auswirkungen von Stress auf Organ- und Zellniveau schon sehr deutlich erkennen. Der Energieverbrauch steigt an, erste Grenzen von Stress-Toleranz zeigen sich. Wir haben auch deutlich gesehen, dass man unbedingt mehrere Reaktions-Parameter heranziehen muss.

Was kann man daraus für Schlüsse ziehen?

Andreas Kunzmann: Langfristig wird sich Temperatur- und Salzgehaltstress auch auf Futterverwertung, Wachstumsleistungen, Gesundheit und Reproduktion der Fische auswirken. Der Fischfarmer muss sich also Gedanken darüber machen, wie er seine Aquakultur an den Klimawandel anpasst. Eine Möglichkeit ist die geschickte Auswahl von geeigneten Standorten. Eine andere die Verabreichung von probiotischen Substanzen über das Futter, das mindert auf jeden Fall kurzfristige Stressfolgen.

Was könnten die Auswirkungen auf die Aquakultur sein?

Andreas Kunzmann: Die „wilden“ Wolfsbarschbestände werden bei weiterem Temperaturanstieg sehr wahrscheinlich ihre angestammten Gebiete verlassen und weiter nordwärts wandern. Möglicherweise muss der Fischfarmer mit seinen Produktionsstandorten hinterherwandern. Landbasierte Produktion könnte zwar Umweltparameter wie Temperatur oder Salzgehalt kontrolliert einstellen, das würde die Produktion aber deutlich verteuern. Es sollten die Möglichkeiten von Ernährungsmaßnahmen als potenzielle Option zur Bekämpfung von extremem Temperaturstress erforscht und ein innovatives und angepasstes Fischfutter entwickelt werden.

Warum ist die Studie relevant für die breite Öffentlichkeit?

Andreas Kunzmann: Grundsätzlich lernen wir viel über die Auswirkungen des Klimawandels durch entsprechende Studien an Tieren. Die Anpassungsfähigkeit von marinen Organismen ist erstaunlich groß, hat aber klare Grenzen. Zukünftige Ernährungssicherung ist ohne Produkte aus dem Meer und insbesondere ohne Aquakultur nicht denkbar.

Publikation

Islam, Md Jakiul, Slater, Matthew James and Kunzmann, Andreas (2021) Responses of aquaculture fish to climate changeinduced extreme temperatures: A review. Journal of the World Aquaculture Society.

DOI: https://doi.org/10.1111/jwas.12853