Im Jahr 2021 zerstörten Hurrikans rund 50% der Mangroven im mexikanischen Naturpark Río Largartos, wie Einheimische berichten. | Foto: A. Daschner, ZMT

28.03.2023 | Am Montag (20.3.2023) hat der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC) seinen Abschlussbericht im schweizerischen Interlaken vorgestellt. Der Bericht dient als Grundlage für Länder weltweit, zügig weitere Maßnahmen zum Klimaschutz zu vereinbaren und in die Tat umzusetzen. Das sagen ZMT-Forschende zu dem Bericht:

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Prof. Dr. Martin Zimmer, Leiter der Abteilung Ökologie und der Arbeitsgruppe Mangrovenökologie

„Es kann keinen Zweifel (mehr) geben: der Klimawandel ist das Ergebnis der menschlichen Aktivitäten der vergangenen Jahrhunderte. Es liegt in unserer Hand, die weiteren Entwicklungen und deren katastrophalen Folgen für die Menschheit aufzuhalten – oder zumindest abzuschwächen.
Der Klimawandel ist eng mit dem Artensterben und der Biodiversitätskrise verbunden. Viele Arten werden mit den Umweltveränderungen nicht Schritt halten können, sich nicht anpassen oder in andere Lebensräume wandern können – sie werden aussterben. Es wird zu drastischen Veränderungen in Lebensgemeinschaften und Ökosystemen kommen.
Besonders betroffen wird die Menschheit in ihrer Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen sein.
Der IPCC-Bericht macht auch deutlich, dass der Klimawandel – und als Folge dessen zunehmende Unwetter, Dürren, Stürme und Meeresspiegelanstieg – die Menschen dort treffen wird, wo sie besonders verwundbar sind. Das gilt vor allem für Menschen in den Regionen der Tropen, in denen das ZMT mit seinen Partner:innen daran forscht, Lösungen für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen und verbesserte Lebensbedingungen vor Ort zu finden.
Unser vorrangiges Ziel muss jetzt sein, die Erderwärmung unterhalb der 1,5 Grad-Grenze zu halten. Der IPCC-Bericht zeigt deutlich auf, dass die schon jetzt deutlich spürbaren Veränderungen oberhalb dieses Schwellenwerts dramatische Folgen haben werden. Das Zeitfenster für wirksame Maßnahmen zur Klimawandelmitigation schließt sich. Noch ist es aber nicht zu spät, wenn wir ALLE JETZT mutig und konsequent handeln: wir müssen weiterhin und verstärkt nach Lösungen suchen und Maßnahmen zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und seiner langfristigen Speicherung ergreifen.

Bislang finden solche Maßnahmen – wenn überhaupt – vor allem an Land statt. Das Meer und seine Küstenökosysteme bieten alternative und zusätzliche, sehr effiziente Lösungsansätze, die bislang aber weitgehend ungenutzt bleiben. Wir untersuchen im Rahmen von CDRmare, einer BMBF-geförderten Forschungsmission der Deutschen Allianz für Meeresforschung, die Leistungsfähigkeit verschiedener meerbasierter Maßnahmen, aber auch ihre potenziellen Nebenwirkungen, ihre gesellschaftliche Akzeptanz und Machbarkeit. Das ZMT konzentriert sich innerhalb dieser Mission auf Blue Carbon, und wie und wo die Flächenerweiterung von vegetationsreichen Küstenökosystemen am wirkungsvollsten zur Erhöhung der Treibhausgasentahme und -speicherung eingesetzt werden kann.“

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Dr. Carolin Müller, Arbeitsgruppe Fischereibiologie

„Mit der Veröffentlichung des jüngsten IPCC-Berichts ist die Menschheit verpflichtet, den unmissverständlichen Worten des Gremiums konkrete Taten in allen Lebensbereichen folgen zu lassen: von erneuerbaren Energien über umweltfreundliche Verkehrsmittel bis hin zu nachhaltiger Produktion und nachhaltigem Verbrauch von lebenden und nicht lebenden Ressourcen. Die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels und der Plastikverschmutzung sind zwei Seiten derselben Medaille: Einerseits schädigen diese vom Menschen verursachten Stressfaktoren gleichzeitig die Meeresökosysteme und die Dienstleistungen, die sie für die Weltbevölkerung erbringen. Andererseits werden Kunststoffprodukte aus fossilen Brennstoffen gewonnen, und während des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen werden Treibhausgase freigesetzt, was erheblich zum globalen Klimawandel beiträgt. Vergleichbar mit den Auswirkungen des Klimawandels, wie sie im IPCC-Bericht festgestellt wurden, sind diejenigen, die am wenigsten zur globalen Kunststoffverschmutzung beigetragen haben, unverhältnismäßig stark beeinträchtigt.“

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Dr. Marleen Stuhr Leiterin (interim) der Arbeitsgruppe Geoökologie und Karbonatsedimentologie

Der neue Bericht zeigt unbestreitbar, dass sich der Klimawandel in einem noch nie dagewesenen Ausmaß beschleunigt und Land und Meere in Mitleidenschaft zieht. Er veranschaulicht eindrucksvoll, wie eng unsere Gesundheit mit der des Meeres verbunden ist, und verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Meeresökosystemen und der zunehmenden Anfälligkeit der menschlichen Gesellschaft. Die Erwärmung der Ozeane, die Zunahme der Häufigkeit und des Ausmaßes von Hitzewellen und der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels führen zu irreversiblen Schäden an den Küstenökosystemen und beeinträchtigen die Lebensgrundlagen der Küstengemeinden erheblich. DEr Report bestätigt, dass die kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern (SIDS) zu denjenigen gehören, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, gleichzeitig aber auch zu den am stärksten gefährdeten und betroffenen Ländern gehören. Er unterstreicht die Bedeutung und die Verantwortung globaler Maßnahmen zur gezielten Unterstützung dieser unverhältnismäßig stark betroffenen Regionen, was die Relevanz unserer Forschung in solchen tropischen Küstenökosystemen unterstreicht.

Einige Küstenökosysteme nähern sich nun aufgrund klimatischer und anderer menschlicher Stressfaktoren einem Kipppunkt, nach dem die Grenzen der Anpassungsfähigkeit erreicht sind und einige ökosystembasierte Anpassungsmaßnahmen wahrscheinlich ihre Wirksamkeit verlieren werden. Der AR6 des IPCC zeigt deutlich, dass Korallenriffe bei jeder noch so kleinen Erwärmung am stärksten bedroht sind, dass diese Ökosysteme aber auch als Eckpfeiler für wirksame Anpassungs- und Abmilderungsstrategien fungieren, die verschiedene Vorteile für das Klima, die biologische Vielfalt und die Gesellschaft mit sich bringen. Der Schutz der Küsten, die Bereitstellung von Lebensräumen und die Versorgung mit Nahrungsmitteln sind nur einige der vielen Leistungen, die gesunde Küstenökosysteme erbringen und die ein Teil der Lösungen zur Bewältigung des Klimawandels sind.

Im Gegensatz zu früheren Berichten konzentriert sich dieser konstruktive Synthesebericht stark auf mögliche effektive und oft kostengünstige Lösungen, die uns zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang wird betont, dass naturnahe Meereslösungen wie Meeresschutzgebiete, Wiederherstellung und Ressourcen schonende Fischerei viele Vorteile für Klimaschutz, Anpassung und nachhaltige Entwicklung bieten und verschiedene Synergien mit den SDGs schaffen. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch stark von der unmittelbaren Reduzierung der Treibhausgasemissionen und der Beseitigung der vom Menschen verursachten Stressfaktoren für die Ökosysteme ab.

Die eskalierende Geschwindigkeit und die Gefahren des globalen Klimawandels in diesem Bericht, der mit dem AR5 verglichen wird, sind höchst alarmierend. Daher unterstreicht der IPCC unmissverständlich, dass transformative Veränderungen gemeinsam und in großem Maßstab durchgeführt werden müssen, und ruft zur internationalen Zusammenarbeit auf, während er gleichzeitig auf die wichtigsten Hindernisse für die Anpassung hinweist, darunter die unzureichende Mobilisierung von Finanzmitteln (auch für die Forschung), die geringe Klimakompetenz, die begrenzte Forschung und/oder die langsame und geringe Akzeptanz der Anpassungswissenschaft sowie das geringe Gefühl der Dringlichkeit. Des Weiteren wird die wirksame und gerechte Erhaltung von ~30-50 % der Land-, Süßwasser- und Meeresflächen, einschließlich der derzeitigen naturnahen Ökosysteme, gefordert, um die Widerstandsfähigkeit der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen auf globaler Ebene aufrechtzuerhalten, und der Bericht gibt anspruchsvolle, aber klare Leitlinien dafür vor, was zusätzlich zu den unvermeidlichen raschen Verringerungen der Treibhausgasemissionen erforderlich ist.

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Prof. Dr. Raimund Bleischwitz, wissenschaftlicher Geschäftsführer des ZMT

„Für mich als Ökonom sind die Optionen zur Minderung des Klimawandels besonders interessant. Die IPCC-Arbeitsgruppe III (Response Strategies) hat etliche sehr gute Aussagen dazu gemacht, wieviele Optionen kostengünstig und machbar sind. So kann es etwa in der Stahlindustrie keinen funktionierenden Klimaschutz ohne ‚grünen Stahl‘ geben und keinen grünen Stahl ohne die Wiederverwertung von Stahlschrott wie beim Schiffsrecycling.“

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Prof. Dr. Nils Moosdorf, kommissarischer Leiter der Abteilung Biogeochemie und Geologie und Leiter der Arbeitsgruppe Submariner Grundwasserabfluss

„Der IPCC Bericht 2022 führt uns wie seine Vorgängerberichte wieder vor Augen, was wir in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten haben. Die groben Linien bleiben dabei gleich, aber der Detailreichtum und die Sicherheit steigen. Es ist wahrscheinlich, dass das in Paris verbindlich beschlossene Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5°Czu begrenzen, nicht erreicht wird, weil die Bemühungen der Staaten nicht ausreichen. Auf dem jetzigen Pfad wird die Klimaerwärmung die 2°C deutlich überschreiten.
Die Folgen für unseren Wasserkreislauf werden extrem sein. Das Grundwasser agiert oft noch als Puffer für längere Trockenzeiten, aber in vielen Regionen der Welt sinken die Grundwasserspiegel. Bereits jetzt sprechen wir von einer globale Wasserkrise. In Deutschland erleben wir – bei etwas über einem Grad Erwärmung – kaum für möglich gehaltene Dürresituationen, in denen Grundwasser so weit absinkt, dass Wälder verdorren. Selbst Deutschland entwickelt jetzt eine Wasserstrategie für Notzeiten.
Weltweit geraten Regenzeiten durcheinander und Ernteerträge gehen verloren. Extremniederschläge, Dürren und Waldbrände werden weiter zunehmen und manche Weltregionen unbewohnbar machen, was zu Migrationsbewegungen und Konflikten führen wird.
Menschen in tropischen Regionen sind zumeist nicht die Verursacher des Klimawandels, sondern die Leidtragenden seiner Folgen. In tropischen Ländern müssen jetzt Anpassungsstrategien gegen die Folgen des Klimawandels umgesetzt werden, weil die Industriestaaten nicht bereit sind, ausreichende Maßnahmen zum Klimaschutz zu realisieren. Um vor Starkregen und Überflutungen zu schützen und Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung resilienter gegen Dürren zu machen, bedarf es großer Investitionen. Es braucht viel planerischen Weitblick, da das Erdsystem eher träge auf Veränderungen reagiert und unsere jetzigen schnellen Änderungen lange Folgen haben werden. Da es nicht möglich sein wird, sich an alle Auswirkungen des Klimawandel anzupassen, werden einige Regionen, insbesondere entlang der derzeit dichtbesiedelten Küsten, in Zukunft wohl aufgegeben werden müssen.
Aber der IPCC Bericht zeigt auch, dass wir noch Chancen haben, den Klimawandel auf ein Level zu begrenzen, das für uns Menschen erträglich bleibt und den Wohlstand auch kommender Generationen schützt. Als Geologe kann ich ohne Übertreibung sagen: die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden die Lebensbedingungen auf unserem Planeten für tausende Jahre prägen. Der IPCC-Bericht zeigt deutlich, warum es sich sowohl finanziell als auch moralisch lohnt, jetzt entschlossene Maßnahmen gegen den Klimawandel umzusetzen. Mit meiner Forschung möchte ich dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels abzuschätzen, sie zu reduzieren und so auch dem Klimawandel entgegenzuwirken. Aus diesem Verständnis heraus hoffe ich, dass wir als Gesellschaft alles dafür tun werden, um den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu begrenzen und so in Zukunft eine für unsere Kinder und Kindeskinder lebenswerte Welt zu erhalten.“

 

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Prof. Dr. Jan Haerter, Leiter der Abteilung Integrierte Modellierung

„Extremereignisse und deren Veränderungen haben oft größere Auswirkungen auf die Menschen als Schwankungen des Mittelwerts. Im AR6 wird zusammenfassend berichtet, dass mittlerweile sehr große Sicherheit bezüglich der Zunahme an Hitzeextremen sowie der Abnahme sehr großer Kälte besteht. Eine Zunahme von Niederschlagsextremen wird als wahrscheinlich erachtet, auch wenn hier noch größere Unsicherheiten bestehen. Dies gilt auch für tropische Wirbelstürme und deren Niederschläge und insbesondere für den Anteil intensiver Stürme. Modellierung und Vorhersage tropischer Konvektivniederschläge ist ein aktuelles Forschungsfeld, da hier kleinskalige Prozesse entscheidend sind, die durch Klimamodelle nur unzureichend beschrieben werden können.“


Über den IPCC-Abschlussbericht

Der am Montag vorgestellte Synthesesebericht ist das Abschlussdokument des 6. IPCC-Sachstandszyklus. Er umfasst sechs Einzelberichte, die seit 2018 erschienen sind. Dieser Abschlussbericht soll alle Erkenntnisse zusammenfassen und eindringlich präsentieren. Weitere IPCC-Berichte sollen in fünf bis sieben Jahren folgen.

Der Weltklimarat (IPCC) wurde 1988 von der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Er ist eine zwischenstaatliche Einrichtung bestehend aus Vertreter:innen der 195 Mitgliedsländer. In seinem Auftrag tragen Forschende in einem Turnus von fünf bis sechs Jahre alle Erkenntnisse zum Klimawandel, seinen Auswirkungen und künftigen Risiken sowie Möglichkeiten zur Anpassung und Abschwächung des Klimawandels zusammen. Im Sommer soll der nächste Zyklus beginnen.