ZMT Grafik Forschung 800pxIllustration: Hans-Werner Eberhardt | Plan 2

Unsere komplexe Welt steht vor großen ökologischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Eine nicht nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung führt zu Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltzerstörung und wird flankiert von sozialer Ungleichheit, Armut, Migration und Hunger. Besonders gravierend sind diese Auswirkungen in Regionen mit rascher Entwicklung und hohem Bevölkerungswachstum. Die tropischen Küstenökosysteme und ihre Lebensgrundlagen sind nicht nur ungemein wertvoll für die Weltgemeinschaft sondern auch Lebensgrundlage für mehr als 3 Milliarden Menschen. Sie sind ein Brennpunkt dieser Veränderungen und Schlüssel für Handlungsstrategien:

  • Der Zustand der Küstengewässer verschlechtert sich aufgrund von Verschmutzung und Eutrophierung – die Verschmutzung durch landwirtschaftliche Abwässer, Pestizide, Kunststoffe und ungeklärte Abwässer muss reduziert werden.

  • Die Verschmutzung der Meere und der Küstenregionen durch Abfälle und Plastik wird zu einem immer größeren Problem. Einem aktuellen OECD-Bericht zufolge befinden sich derzeit schätzungsweise 30 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren und Ozeanen, und weitere 109 Millionen Tonnen haben sich in Flüssen angesammelt.

  • Auf globaler Ebene führen die Kohlenstoffemissionen der Menschen zur Erwärmung der Meere, zur Versauerung und zu Sauerstoffverlust mit schwerwiegenden Folgen für Mangroven, Korallenriffe und Fischpopulationen. Riffbildende Korallen sind Lebensraum für etwa ein Drittel aller bekannten Meeresarten (ohne Mikroben und Pilze), aber weniger als 30 Prozent der Korallenriffe weltweit sind noch in einem guten Zustand; der Kipppunkt für Korallenriffe könnte selbst dann überschritten werden, wenn die globale Erwärmung auf 1,5ºC begrenzt werden kann.

Vor diesem bedrohlichen Szenario ist die Arbeit des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen wichtiger denn je.

Tropische Küstenökosysteme wie Mangroven, Korallenriffe oder Seegraswiesen zählen zu den produktivsten und artenreichsten Lebensräumen unseres Planeten. Sie sind eine wesentliche Nahrungs- und Einkommensquelle für Milliarden von Menschen und in vielen tropischen Ländern von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft und den Tourismussektor. In den Tropenländern lebt fast die Hälfte der Weltbevölkerung; tropische Länder haben ein starkes Gewicht in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen und sind wichtige Knotenpunkte für Schifffahrtsrouten.

Das ZMT ist ein international anerkanntes Kompetenzzentrum und das einzige wissenschaftliche Institut in Deutschland, das diese tropischen und subtropischen Küstenökosysteme und ihre wichtige Bedeutung für Natur und Mensch erforscht. Durch seine Aktivitäten in der interdisziplinären Forschung, Ausbildung und Beratung trägt das ZMT zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung tropischer Küstenökosysteme und ihrer Rolle für die Abschwächung des Klimawandels bei. Mit einer einzigartigen Stärke in den Sozialwissenschaften erforscht das ZMT die Lebensgrundlagen von Gemeinden in tropischen Küstengebieten und unterstützt bei der Kapazitätsentwicklung.

 

 Das Bild zeigt Lösungsansätze an denen das ZMT arbeitet eingebettet in die Illsztration eines Küstenökosystems
Illustration: Hans-Werner Eberhardt | Plan 2

Lösungsorientierte Forschung zur Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Anthropozäns

Der Klimanotstand und die Notsituation auf unserem Planeten erfordern eine Fokussierung auf Lösungen, gesellschaftliche Auswirkungen und Transformation in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren. Die Stärke des ZMT liegt in der Durchführung regionaler und lokaler Forschungsstudien und Messkampagnen während der Feldarbeit, ergänzt durch Datenanalysen zur Erstellung von Modellen für lokale und regionale Szenarien. Das ‚Upscaling‘ von Lösungen durch den Einsatz von Datenanalyse, digitalen Werkzeugen und Modellierung auf verschiedenen Ebenen ist zu einer notwendigen Ergänzung der analytischen Arbeit vor Ort geworden. 

Es gilt, den globalen Temperaturanstieg auf höchstens 1,5 °C zu begrenzen – das vom IPCC 2018 wissenschaftlich fundierte und seit dem Paris Abkommen von 2015 immer stärker als politisch akzeptiert geltende Ziel. Um dies zu erreichen, ist die Einbeziehung der Ozeane von entscheidender Bedeutung. Sie dienen als Senke für 25-30 % der globalen Treibhausgasemissionen und sind somit ein wesentlicher Puffer für die globale Erwärmung. Tropische Küstenökosysteme spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Potenzial der blauen Wirtschaft („Blue Economy“) erschließen

Durch die Untersuchung und Bewertung kollektiver Maßnahmen, Marktentwicklungen und politischer Strategien in Bereichen wie Tourismus, Aquakultur, Fischerei und blaue Stadtentwicklung spielt die ZMT-Forschung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Lösungen durch die „Blue Economy“. Dieser geschätzt achtgrößte Wirtschaftssektor der Welt wird zukünftige Wohlstandsmuster prägen. Das ZMT führt eine Reihe von Fallstudien durch, die typischerweise an der Schnittstelle zwischen qualitativer und quantitativer Forschung angesiedelt sind. Dabei wird auch die Nachhaltigkeitsdimension einer „Blue Economy“ reflektiert und Empfehlungen und Optionen für Küstengemeinden mitentwickelt. Perspektivisch, gilt es für das ZMT, den Diskurs über die „Blue Economy“ mitzugestalten und diese mit Strategien zu Netto-Null-Kohlenstoff (z.B. durch erneuerbare Meeresenergie) und einer Kreislaufwirtschaft (z.B. durch Schiffsrecycling) zu verbinden.

Systemorientiertes Denken und integrierte Modellierung

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern Systemdenken und Modellierung auf regionaler und globaler Ebene im Hinblick auf Wetterextreme, marine Hitzewellen sowie die durch den globalen Wandel verursachten Auswirkungen auf die Küsten und ihre Gemeinschaften, auf Korallenriffe, Mangroven, Nahrung aus dem Meer und Ökosystemleistungen im Allgemeinen. Langfristig gesehen unterstützen solche Modelle unterstützen die Vorhersage und die Entwicklung von Fähigkeiten und Anpassungsmaßnahmen.

Mit digitalen Werkzeugen und dynamischen Ansätzen entwickelt das ZMT eine Reihe von Modellen sowie ein Datenlabor. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung von Prozessen auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen, die für tropische Küstengemeinden von Bedeutung sind. Dabei ist es wichtig, globale Modelle für Erdsysteme durch dynamische Modelle auf niedriger Skala zu ergänzen, die spezifischere Einblicke in regionale Faktoren und lokale Bedingungen bieten können.

Blauer Kohlenstoff als Mittel zur Abschwächung des Klimawandels

Ökosysteme wie Mangroven, Seegras, Sümpfe oder Moore bieten eine einzigartige Dienstleistung: Als Kohlenstoffsenken entziehen sie der Atmosphäre große Mengen an Kohlendioxid und speichern es langfristig. Dieser so genannte „blaue Kohlenstoff“ trägt zur Abschwächung des Klimawandels bei und gilt als vielversprechende naturbasierte Lösung für die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels. Er kann bei Netto-Null-Strategien eine Rolle spielen und auch für Küstengemeinden einen Zusatznutzen bieten, wenn die wesentlichen Ökosystemleistungen hinreichend bekannt sind. Daher müssen Strategien und Investitionen in „blauen Kohlenstoff“ von wissenschaftlichem Monitoring und einer Bewertung der Ökosystemleistungen begleitet werden – einschließlich der wesentlichen geobiochemischen Ströme von Nährstoffen und Sedimenten. In Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren können die Forschenden des ZMT Bewertungen vor Ort vornehmen, Daten sammeln, sich an der Kapazitätsentwicklung beteiligen und strategisches Know-how sowie Modellierungskompetenz anbieten.

Naturbasierte Lösungen, Naturschutz und neuartige Mitgestaltung von Ökosystemen

Management, Erhaltung, Wiederherstellung und bessere Verwaltung von Meeresressourcen und Küstenökosystemen sind Kernthemen der Arbeit des ZMT und bilden die Grundlage für Empfehlungen zur Politikentwicklung sowie für Beratungsleistungen. Diese Arbeit gewinnt angesichts des Post-2020 Global Biodiversity Framework (GBF), das den Verlust der biologischen Vielfalt durch den Schutz von mindestens 30 % der Meeresgebiete aufhalten soll, noch mehr an Bedeutung. Darüber hinaus werden andere Umweltschutzmaßnahmen (Other Environmental Conservation Measures - OECMs) zunehmend als Instrument für eine nachhaltige Nutzung und für den gemeinsamen Nutzen für die Küstengemeinden anerkannt. Das ZMT befasst sich perspektivisch mit dem Forschungsbedarf für die Wiederherstellung von Riffen, Mangroven und anderen Ökosystemen durch neuartiges Design, Innovationen und lokale Kooperationen.

Inter- und transdisziplinäre Forschung zur Förderung von Meereskompetenz, Zusammenarbeit und Kapazitätsentwicklung

Das ZMT widmet sich der Entwicklung neuer Ideen und frischer Forschung in einem inter- und transdisziplinären Austausch. Das florierende Promovierenden-Programm und Alumni-Netzwerk des ZMT sind eine ständige Quelle kreativer Erkenntnisse. Mit seiner langjährigen Kernkompetenz im Bereich der Kapazitätsentwicklung und gleichwertiger Partnerschaften ist das Institut in Bereichen wie forschungsbasierter Transformation und Ko-Kreation sehr gut aufgestellt und nutzt Austauschprogramme, digitale Tools und Kompetenztraining in der ZMT-Akademie. Mit einem Fokus auf Meereskompetenz, inklusiver Führung und dem Austausch mit Stakeholdern aus Wirtschaft, Politik und dem NGO-Sektor entwickelt das ZMT mehrstufige Partnerschaften und neue Wege in der UN-Ozeandekade.

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