Versuche mit elektrischem Strom an Foraminiferen in der MAREE | Foto: Andrea Daschner, ZMT

11.05.2023 | Federica Rebecchi, Doktorandin an der Universität Urbino, Italien, absolviert zur Zeit einen Forschungsaufenthalt am ZMT. Sie wird von Christiane Schmidt (ZMT) im Rahmen des DFG-geförderten Projekts Symbio-AID und Fabrizio Frontalini (Universität Urbino) betreut. Ihr Forschungsprojekt befasst sich mit der Entwicklung moderner Biotechnologien zur Abschwächung schädlicher anthropogener Einflüsse auf marine Ökosysteme und zu deren Wiederherstellung.

Welches ist das zugrunde liegende Problem, das du untersuchst?

Federica Rebecchi: Die jüngsten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte haben die Einführung von Methoden der marinen Biotechnologie ermöglicht, welche Meeresorganismen zur Bekämpfung des Klimawandels einsetzen. Unsere Hauptfrage lautet: Ist es möglich, das Wachstum von Foraminiferen durch elektrischen Strom zu stimulieren?

Foraminiferen sind wichtige Meeresprotisten mit einer Kalziumkarbonatschale, die als Instrument zur Wiederherstellung der Artenvielfalt in geschädigten marinen Lebensräumen dienen könnten. Einige Studien haben die positiven Auswirkungen von elektrischem Strom auf kalkbildende Organismen wie Korallen dokumentiert, aber es besteht eine Forschungslücke hinsichtlich der Auswirkungen auf andere Organismen wie Foraminiferen.

Wie genau gehst du mit deinen Experimenten in unserer Meerwasseranlage an diese Frage heran?

Federica Rebecchi: Der erste Schritt besteht darin, die Auswirkungen der elektrischen Stimulation auf die Lebensfähigkeit der Foraminiferen und ihre Physiologie zu verstehen. Auch wenn wir hoffen, dass wir das Wachstum stimulieren können, ist es wichtig zu bedenken, dass elektrischer Strom auch negative Auswirkungen haben könnte. Während viele Meeresorganismen elektrische Felder auf natürliche Weise für lebenswichtige Prozesse nutzen, ist unser Wissen darüber, wie Tiere, insbesondere benthische Organismen, mit anthropogenen Quellen elektrischer Felder interagieren, noch begrenzt.

Was geschieht während des Experiments?

Federica Rebecchi: In unserem aktuellen Experiment in der MAREE verwende ich tropische Foraminiferen aus Israel, die im Mittelmeer invasive Arten sind und den Suezkanal passiert haben. Unser Ziel ist es, die kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen verschiedener niedriger Stromdichten auf die photosynthetische Aktivität von Diatomeen-Endosymbionten in der Modellart Amphistegina lobifera zu bewerten. Dazu messen wir ihre photosynthetische Leistung mit Hilfe der PAM-Fluorometrie (Pulse Amplitude Modulated).

 Was genau möchtest du herausfinden?

Federica Rebecchi: Ziel ist es festzustellen, ob der elektrische Strom eine positive Wirkung oder eine negative hat, indem er Stress auslöst. Wir konzentrieren uns auf die Analyse des photosynthetischen Prozesses der Endosymbionten der benthischen Foraminiferenart Amphistegina. Foraminiferen sind ja für ihr Wachstum und ihre Kalkbildung auf Algensymbionten angewiesen.

Welche Erwartungen hast du an die Ergebnisse?

Federica Rebecchi: Auf der Grundlage erster Experimente, die wir in der jüngsten Veröffentlichung von Rebecchi et al. (2023) beschreiben, gehen wir davon aus, dass die sehr niedrigen Stromwerte keine negativen Auswirkungen auf die Lebensfähigkeit der Foraminiferen haben werden. Wir hoffen, auch keine negative Reaktion der photosynthetischen Aktivität zu beobachten. Es wäre für uns sehr interessant, sogar eine Zunahme dieser Aktivität zu sehen.

Welche Bedeutung hätten die Ergebnisse?

Federica Rebecchi: Die erwarteten Ergebnisse würden unser Verständnis der Wechselwirkungen zwischen benthischen Organismen, elektrischen Feldern und photosynthetischen Prozessen erweitern. Dieses Wissen könnte weitere Forschungen auf dem Gebiet der marinen Biotechnologie, der Elektrostimulation und der Reaktionen verschiedener mariner Organismen auf anthropogene Quellen elektrischer Felder anregen. Wir würden damit einen Beitrag zu den laufenden wissenschaftlichen Diskussionen und Untersuchungen über die möglichen Anwendungen der Elektrostimulation in marinen Ökosystemen leisten.

Warum wären die Ergebnisse relevant für die Umwelt?

Federica Rebecchi: Wenn die Ergebnisse des Experiments darauf hindeuten, dass elektrische Stromstimulation positive Auswirkungen auf Foraminiferen hat, könnte dies möglicherweise zur Entwicklung von Biotechnologien für die Wiederherstellung von Ökosystemen beitragen. Indem sie das Wachstum und die Kalzifizierung von Organismen fördern, könnten solche Biotechnologien für geschädigte marine Lebensräume eingesetzt werden, z. B. im Rahmen der Aufzucht von Organismen für die Wiederherstellung von Riffen.

Positive Ergebnisse meines Promotionsprojekts könnten zur Nutzung benthischer Foraminiferen als neue Biotechnologie führen, die innovative Ansätze für die Entwicklung von Strategien zur Wiederherstellung aquatischer Ökosysteme auf lokaler und globaler Ebene bieten könnte.

Publikation

Rebecchi, F.; Lattanzi, D.; Abramovich, S.; Ambrogini, P.; Ciacci, C.; Betti, M.; Frontalini, F. Evaluation of the Effects of Electrical Stimulation: A Pilot Experiment on the Marine Benthic Foraminiferal Species Amphistegina lessonii. Life 2023, 13, 862. https://doi.org/10.3390/life13040862