Artisanale Fischerei auf Fidschi | Foto: Tom Vierus

13.04.2023 | Die südpazifische Region stellt einen einzigartigen Kontext dar, in dem sich die lokalen Gemeinden und ihre politischen Vertreter zunehmend für eine integrierte Bewirtschaftung der Meeresressourcen und -räume einsetzen. Dies gilt insbesondere für die Fischerei. Sie ist eine entscheidende Komponente für den Lebensunterhalt der lokalen Bevölkerung, die regionale Wirtschaft und die weltweite Fischversorgung. Das Projekt A Sea of Connections: Contextualizing Fisheries in the South Pacific Region (SOCPacific) beleuchtete die Fischereipraktiken der Region, nun ist es beendet. Die Projektleiterin am ZMT, Dr. Annette Breckwoldt, gibt einen Überblick über Ziele und Erreichtes.

Was waren die Ausgangsfragen und Ziele des Projektes?

Annette Breckwoldt: Unser Projekt zielte darauf ab, die Küsten- und Meeresfischerei in drei Forschungsgebieten, Fidschi, Neukaledonien und Vanuatu, in einen breiteren Kontext einzubetten und das große Netz soziokultureller, geopolitischer und politischer Zusammenhänge zu untersuchen, in dem die Fischereipraktiken stattfinden.

Zu diesem Zweck haben wir eine interdisziplinäre Analyse über verschiedene Dimensionen der Fischerei, ihres Managements und der Meerespolitik im Südpazifik durchgeführt, einschließlich der lokalen Praktiken, globaler Einflussfaktoren, sowie nationaler und regionaler Managementstrategien. Dabei spielten drei Hauptthemen eine besondere Rolle: Zum einen die sozialen Werte von Orten und Ressourcen im Zusammenhang mit der Küsten- und Offshore-Fischerei. Zum anderen die Spannungen zwischen Fischerei- und Subsistenzinteressen, sowie die Art und Weise, wie die Fischerei und die bestehenden Managementinstrumente in die marine Raumplanung integriert werden.

Wer waren die Projektpartner?

Annette Breckwoldt: Das SOCPacific-Projekt basierte größtenteils auf einer Partnerschaft zwischen drei akademischen Einrichtungen aus Europa und Ozeanien: dem ZMT, dem Institut de Recherche pour le Développement (IRD) und der University of the South Pacific (USP). Es wurde zusätzlich von einem größeren Konsortium externer Partner aus den Sozial- und Naturwissenschaften unterstützt. Dies ermöglichte interdisziplinäre Untersuchungen mit diversen Interessensvertretern.

Wie war das Vorgehen bei dem Projekt?

Annette Breckwoldt: In unserer Studie sollten lokales Wissen und lokale Praktiken verstanden und gefördert werden. Wir untersuchten die soziokulturellen und politischen Zusammenhänge zwischen Küsten- und Hochseefischerei aus der Sicht der Inselbewohner, der nationalen Regierungen, der regionalen Rahmenwerke sowie der globalen Meeresschutz-Bewegungen.

Unser Ansatz basierte auf der Zusammenarbeit mit ozeanischen Küstengemeinden, Studierenden und Wissenschaftler:innen, die sich mit den Governance-Regelungen für die Ozeane befassen. Wir haben aus lokaler Sicht die wichtigsten Herausforderungen im Zusammenhang mit Erhalt und Wiederherstellung der Fischereiressourcen ermittelt und betrachtet, wie sich die negativen ökologischen Auswirkungen der Fischerei bei gleichzeitiger Sicherung der Erträge minimieren lassen.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt?

Annette Breckwoldt: SOCPacific entwickelte das Konzept, dass die südpazifische Fischerei eingebettet ist in ein "Meer von Verbindungen", ein Begriff, der die vielfältigen Bedeutungen und Dimensionen der Vernetzung in Ozeanien hervorhebt. So entstand ein besseres Verständnis der vielfältigen Werte der Fischerei in Land-Meer-Einheiten, der Verbindungen zwischen Fischerei und Naturschutz, Wissensbereichen und Interessengruppen, sowie der politischen Landschaft des Fischereimanagements, das beeinflusst ist von einem internationalen Wettstreit um den pazifischen Raum und seine Ressourcen.

Ein wichtiger Projektbeitrag war eine Studie über die soziokulturellen Werte der Meeresressourcen - neben ihren monetären und Subsistenz-Werten - auf der Insel Kadavu in Fidschi. Sie lieferte wichtige Erkenntnisse für Managementansätze der Küstenfischerei, die die Wertschätzung der indigenen Gemeinschaften für die Meeresarten sowie den Beitrag der Frauen zur Kleinfischerei anerkennen. SOCPacific untersuchte auch anhand von Kinderzeichnungen und eigenen Kommentaren die Werte, die Schulkinder aus Fidschi und Neukaledonien dem Meer und den Meereslebewesen beimessen. Sie belegen die Bindung der Kinder an bestimmte Orte, die ihnen ein Gefühl der physischen und sozialen Zugehörigkeit vermitteln.

Weitere Studien offenbarten Riffpassagen als ökologische und kulturelle Schlüsselorte im Meer. Das sind Brüche und Kanäle in den Saumriffen. In Ozeanien sind solche Schlüsselorte in das Konzept eines Land-Meer-Kontinuums eingebettet, das das Meer und das Land als untrennbar miteinander verbunden betrachtet. Diese Untrennbarkeit wird zunehmend im Fischereimanagement durch sogenannte „Ridge-to-Reef“-Ansätze berücksichtigt.

Was kann man daraus für Schlüsse ziehen?

Annette Breckwoldt: SOCPacific hat das Studium der Fischerei im Südpazifik durch die Vorstellung von Ozeanien als einem "Meer von Verbindungen" neu belebt. Wir haben festgestellt, dass ozeanisches Wissen, Kosmologien, Sozialitäten, Spiritualitäten, Werte und Formen des Regierens von zentraler Bedeutung sind, um die Gesundheit des Pazifischen Ozeans zu gewährleisten. Er ist der größte Ozean der Erde und ein gemeinsames Erbe, aber auch Schauplatz eines beispiellosen Ansturms auf Raum und Ressourcen.

Warum sind die Ergebnisse gesellschaftsrelevant?

Annette Breckwoldt: Die Ergebnisse zeigen auf, dass der Pazifische Ozean die Komplexität, Vielfalt und Kultur der ozeanischen Gesellschaften als Schutzschild gegen rein Profit-orientierte und ausbeuterische Interessen braucht. Um den zu gewährleisten, benötigt Ozeanien unter anderem eine stärkere akademische Struktur, zu der dieses Projekt bereits beigetragen hat.

Was waren die Highlights des Projektes?

Annette Breckwoldt: Die Ergebnisse von SOCPacific zeigen unter anderem auf, dass für ein umfassenderes Verständnis der Fischerei viel mehr kritische und zentrale Stimmen - akademische und nichtakademische - gehört werden sollten. Für uns Projektleiterinnen war zudem die transparente und respektvolle Zusammenarbeit im internationalen und in jeglicher Hinsicht diversen Konsortium ein ausgesprochenes Highlight.

Was geschieht mit den Ergebnissen?

Annette Breckwoldt: Die Ergebnisse werden vor allem durch Veröffentlichungen (z.B. Special Section in der Zeitschrift AMBIO), als auch durch diverse Fachvorträge, Symposiumsbeiträge, Ausstellungen, Einbindung in die Lehre und ein finales SOCPacific-Poster weitergetragen.

Was sind die nächsten Pläne in Bezug auf das Projektthema?

Annette Breckwoldt: Das Projekt hat neue Forschungs- und Kooperationsperspektiven eröffnet, beispielsweise mit der OKEANOS-Stiftung. Es hat eine Kluft aufgezeigt zwischen der großen Bedeutung von Riffpassagen und der geringen Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, die sie erwähnen. Die Riffpassagen, die Küstengewässer und den offenen Ozean miteinander verbinden, sind vor Ort als bedeutende Hotspots biologischer Vielfalt und Produktivität bekannt.

Wir haben nun einen binationalen Antrag bei DFG und der Agence Nationale de la Recherche (ANR) für ein Projekt eingereicht, das sich auf diese Riffzonen konzentriert. Zudem wurde zu dem Thema ein kleinerer Projektantrag bereits letztes Jahr erfolgreich am IFREMER in Frankreich eingereicht, so dass das neue Projekt bereits Anfang 2023 mit einer Postdoc-Stelle starten konnte.

Weitere Infos zu dem Projekt:

https://www.leibniz-zmt.de/de/forschung/wissenschaftliche-projekte/socpacific.html
https://socpacific.net

Projekt-Poster