Seeigel, Costa Rica | Foto: Ines Stuhldreier

05.12.2023 | Einem neuen Bericht zufolge ist die Welt an einem entscheidenden Punkt angelangt, da sich die Bedrohungen durch Kipppunkte im Erdsystem - und die Fortschritte in Richtung positiver Kipppunkte - beschleunigen. Der neu erschienene Global Tipping Points Report - die umfassendste jemals durchgeführte Bewertung von Kipppunkten - besagt, dass sich die Menschheit derzeit auf einem katastrophalen Weg befindet. Der „Global Tipping Points Report“ wird jetzt auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai (COP28) präsentiert.

Der Bericht wurde von einem internationalen Team von mehr als 200 Forschern erstellt, das von der Universität Exeter in Zusammenarbeit mit dem Bezos Earth Fund koordiniert wurde. Von Seiten des ZMT trug der Postdoktorand Dr. Giovanni Romagnoni mit seinem Fachwissen über potenzielle Kipppunkte in küstennahen Auftriebssystemen und in pelagischen Ökosystemen zu diesem Bericht bei.

Romagnoni konzentrierte sich dabei insbesondere auf die Kelp-Seeigel-Systeme. "Diese Systeme sind möglicherweise anfällig für irreversible Kipppunkte, die sich in vielen Gebieten bereits kritisch auf die ökologische Dynamik in felsigen Küstensystemen der gemäßigten und subtropischen Breiten auswirken, u. a. als Folge von Umweltveränderungen", so Romagnoni.

Kelp - das sind Makroalgen - und Seeigel weisen in der Regel eine stark gekoppelte Dynamik auf. Seeigel gehören zu den wichtigsten Konsumenten von Kelp und können Kelpwälder in kurzer Zeit zum völligen Verschwinden bringen, wenn ihre Population unkontrolliert zunimmt. Dies kann zum Beispiel passieren, wenn die Fressfeinde der Seeigel zurückgehen. Temperaturschwankungen beeinflussen die Verteilung und Produktivität von Kelp, Seeigeln und ihren Fressfeinden.

Das Tempo des Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und der Entwicklung kohlenstofffreier Lösungen wird nun über die Zukunft von Milliarden von Menschen entscheiden. Der Bericht stellt fest, dass die derzeitige Weltpolitik für das Ausmaß der Herausforderungen unzureichend ist, und gibt sechs wichtige Empfehlungen für einen schnellen Kurswechsel, einschließlich koordinierter Maßnahmen zur Auslösung positiver Kipppunkte. Ein Kipppunkt tritt auf, wenn eine kleine Veränderung einen oft raschen und unumkehrbaren Wandel auslöst, die Auswirkungen können positiv oder negativ sein.

Auf der Grundlage einer Bewertung von 26 negativen Kipppunkten für das Erdsystem kommt der Bericht zu dem Schluss, dass "business as usual" nicht mehr möglich ist - Veränderungen in der Natur und in der Gesellschaft sind bereits eingetreten, und weitere werden folgen. Da die globale Erwärmung auf dem besten Weg ist, die 1,5° C-Marke zu überschreiten, ist es wahrscheinlich, dass mindestens fünf Kipppunkte im Erdsystem ausgelöst werden - darunter der Zusammenbruch großer Eisschilde und das weit verbreitete Absterben von Warmwasserkorallenriffen.

Da sich die Kipppunkte im Erdsystem häufen, besteht die Gefahr eines katastrophalen, weltweiten Verlusts der Möglichkeit, Grundnahrungsmittel anzubauen. Ohne dringende Maßnahmen zur Eindämmung der Klima- und Umweltkrise werden die Gesellschaften überfordert sein, wenn die natürliche Welt auseinanderbricht. Alternativ dazu können globale Sofortmaßnahmen - die von den Staats- und Regierungschefs, die sich jetzt auf der COP28 treffen, beschleunigt werden sollten - positive Kipppunkte nutzen und uns in eine nachhaltigere Zukunft führen.

Der Bericht legt einen Plan dafür vor und sagt, dass mutige, koordinierte politische Maßnahmen positive Kipppunkte in verschiedenen Sektoren wie Energie, Verkehr und Ernährung auslösen könnten. Eine Kaskade positiver Kipppunkte würde Millionen von Menschenleben retten, Milliarden von Menschen vor Not bewahren, Billionen von Dollar für klimabedingte Schäden vermeiden und mit der Wiederherstellung der natürlichen Welt beginnen, von der wir alle abhängen.

Der Bericht enthält sechs zentrale Empfehlungen:

  • Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Landnutzungsemissionen sollte jetzt erfolgen und deutlich vor 2050 gestoppt werden.
  • Stärkung der Anpassung und des "Verlust- und Schadensmanagements" unter Berücksichtigung der Ungleichheit zwischen und innerhalb von Nationen.
  • Aufnahme von Kipppunkten in die globale Bestandsaufnahme (das weltweite Klima-"Inventar") und die nationalen Beiträge (die Anstrengungen jedes Landes zur Bekämpfung des Klimawandels).
  • Koordinierung der politischen Bemühungen, um positive Kipppunkte auszulösen.
  • Dringende Einberufung eines globalen Gipfels zum Thema Kipppunkte.
  • Vertiefung der Kenntnisse über Kipppunkte. Das Forschungsteam unterstützt die Forderung nach einem IPCC-Sonderbericht über Kipppunkte.

Zum Bericht: https://global-tipping-points.org/