Staatsminister Dr. Abdulla Naseer von den Malediven auf Besuch am ZMT (Foto: Jan Meier, ZMT)

21.07.2022 | Im Rahmen des diesjährigen ICRS besuchte Dr. Abdulla Naseer, Staatsminister im Ministerium für Umwelt, Klimawandel und Technologie der Republik der Malediven, am 5. Juli 2022 das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen zu einem informellen Austausch. Wissenschaftler des ZMT und Dr. Naseer nutzten die Gelegenheit, um über relevante marine Themen und anstehende Herausforderungen für den Inselstaat zu diskutieren.

Nach einer herzlichen Begrüßung gab Prof. Dr. Bleischwitz, wissenschaftlicher Direktor des ZMT, eine kurze Einführung in die Geschichte des Instituts und einige der aktuellen multidisziplinären Forschungsthemen. Er betonte, dass dieser Besuch eine großartige Gelegenheit zum gegenseitigen Informationsaustausch sei.

Dr. Naseer, der zur Entstehung von Korallenriffen promoviert hat, betonte, dass die Malediven durch den Klimawandel besonders gefährdet sind und es für eine Nation, die von Korallenriffen abhängt, kein Leben ohne Korallen geben kann. Mit dieser nachdrücklichen Einleitung gab Dr. Naseer den Teilnehmern einen Überblick über einige der dringlichsten Probleme, mit denen der Inselstaat konfrontiert ist - wie etwa dem Anstieg des Meeresspiegels, der Süßwasserversorgung, der Abfallbeseitigung, dem Schutz und der Wiederherstellung der Riffe oder vielschichtigen Management-Herausforderungen.

Laut Dr. Naseer ist die Situation auf den Malediven sehr komplex. Etwa 14 - 15 % der ca. 4500 km2 großen Rifffläche der Malediven sind geschützt. In Zahlen ausgedrückt gibt es 79 Meeresschutzgebiete (MPA), aber nur neun haben einen Managementplan. Da die MPA-Auflagen auf den Malediven sehr streng sind, ist die Durchsetzung nicht einfach. Dr. Naseer betonte, dass die Regierung sich nicht um alle MPAs kontrollieren kann, da es beispielsweise nicht genug Ranger gibt, um auf allen Inseln zu patrouillieren.

Auch im Alltag müsse das Bewusstsein für die wertvolle Umwelt noch weiter wachsen. So entfernen beispielsweise viele Resorts das Seegras in den flachen Lagunen ihrer Umgebung, da sie es als unschön empfinden, wenn es an die Strände spült. Die vielen Vorteile von Seegras sind nicht allgemein bekannt. Naturkatastrophen, wie das große Mangrovensterben im Jahr 2021 oder die beiden großen Korallenbleiche-Ereignisse von 2016 und 1998 stellten für den Inselstaat Herausforderungen dar, da die Erholung Jahrzehnte dauert.

Dr. Naseer betonte aber auch die positiven Entwicklungen der letzten Jahre und die vielen Möglichkeiten, die sich aus internationalen Kooperationen ergeben. So konnten Forscher und Manager bei regelmäßigen Überwachungsprogrammen beobachten, wie sich die Riffe zwischen der ersten und der zweiten Bleiche vollständig erholten und dass sich die Zusammensetzung der Riffe verändert hat. Das Ministerium konnte entsprechende Daten sammeln und damit diese Prozesse dokumentieren.

Auch Maßnahmen zur Riffsanierung wie Korallenfarmen und Korallengärten seien hilfreiche Instrumente, um die Schädigung der Riffe einzudämmen. Sie bedürften aber weiterer Forschung, um auf fundierten Erkenntnissen zu beruhen. Die meisten Resorts haben ihre eigenen Tauchzentren und beteiligen sich bereits an solchen Aktivitäten. Für die nahe Zukunft ist auch die Reinigung einiger Mülldeponien auf den Inseln geplant. Eine stärkere Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und neue Konzepte für andere wirksame flächenbezogene Naturschutzmaßnahmen (OECMs) könnten mögliche Lösungen sein.

Die Vorträge der ZMT-Wissenschaftler knüpften an die von Dr. Naseer angesprochenen Themen an. Prof. Dr. Marie Fujitani sprach über nachhaltigen Tourismus und tourismusbedingte Auswirkungen auf Korallenriffe und darüber, wie der zukünftige Tourismus zum Wohlbefinden der Bewohner und der touristischen Anlagen beitragen kann. Dr. Hauke Reuter stellte seine Arbeit zur agentenbasierten Modellierung von Korallenriffdynamiken vor, womit u. a. die Auswirkungen von mechanischen Störungen oder Hitzewellen auf Korallen im Indischen Ozean bewertet werden können.

Dr. Kay Davis stellte dar, wie austretendes Grundwasser Korallenriffe ersticken oder ihre Entwicklung beeinträchtigen kann und wie eine angemessene Süßwasserbewirtschaftung solche Risiken mindern kann. Dr. Tim Jennerjahn sprach über die Chancen von Blue Carbon und wie der Wert der damit verbundenen Ökosystemleistungen bewertet werden kann. Dr. Andreas Kunzmann stellte die Arbeit zur Unterstützung des Pulau Pieh MPA in Westindonesien als ein Beispiel dafür vor, wie die Zusammenarbeit von Institutionen und Interessengruppen zum Erfolg führen kann. Die anschließenden Diskussionen boten eine gute Gelegenheit, gemeinsame Grundlagen für eine künftige Zusammenarbeit in Forschung und Kapazitätsentwicklung zu identifizieren.